Ist Photoshop ein Werkzeug des Teufels?

Erst kürzlich fragte mich jemand ob meine Bilder echt sind. Ich wusste in dem Moment nicht ganz was sie damit meinte und fragte deshalb nochmals. Dann stellte sie dieselbe Frage etwas anders: «Entsprechen ihre Bilder der Wirklichkeit? Hat es wirklich so ausgesehen oder brauchen Sie Photoshop?»
«Ok», dachte ich, wenn ich jetzt Photoshop brauche um meine Bilder zu «bearbeiten» oder passender gesagt «zu entwickeln», dann entsprechen diese jetzt nicht der Wirklichkeit, oder wie soll ich das jetzt verstehen. Ihr möchtet jetzt gerne wissen, was ich ihr geantwortet habe? Nun, die Antwort dazu ist, was ich an den Workshops unseren Teilnehmer auch immer wieder sage. Ja, meine Bilder entsprechen der Wirklichkeit. Aber es ist meine Wirklichkeit, so wie ich diese in dem Moment gesehen habe und so wie ich diese dem Betrachter zeigen will. Doch dazu will ich jetzt etwas näher eingehen.

Man könnte eigentlich manchmal denken, Photoshop und alle die verschiedenen Bildbearbeitungsprogrammen sind Werkzeuge des Teufels. Während es Fotografen gibt, welche sich kaum trauen nur am Kontrastregler zu drehen, geschweige denn einen Blendenfleck entfernen wollen, gibt es dann aber auch das andere Lager welche Bildbearbeitung exzessiv betreiben.
Nun, ein unbearbeitetes Bild gibt es nicht. Die Frage stellt sich jetzt bloss, wann fängt die «Manipulation» an, welche viele Fotografen so stark an der digitalen Bildbearbeitung kritisieren.

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Doch bevor wir uns Gedanken darüber machen, ob jetzt Photoshop ein Werkzeug des Teufels ist und die Fotografie kaputt macht, sollten wir uns mal über folgendes Gedanken machen: Macht es eigentlich einen Unterschied, ob die Manipulation in der Kamera oder in Photoshop stattfindet. Ja, ihr habt richtig gelesen. Was ist eigentlich die Realität? Und wo fängt die Manipulation an? Ein Jpeg aus der Kamera kann genau so wenig der Wirklichkeit entsprechen wie ein Bild, dass in Photoshop bearbeitet wurde.
Ich würde sogar einen Schritt weiter gehen.
Sobald ich durch den Sucher der Kamera schaue und meinen Ausschnitt bestimme, in dem Moment kann ich mit der «Manipulation der Wirklichkeit» beginnen. Spätestens im Moment, wo ich den Auslöser betätige, fängt eigentlich dann schon die «Manipulation» an. Wieso, denkt ihr jetzt bestimmt. Ich habe doch noch nichts manipuliert?

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Gehe ich jetzt mit einem Ultraweitwinkel Objektiv sehr nahe an meinen Vordergrund ran, wird dieser im Verhältnis zum Hintergrund überdimensional gezeigt! Entspricht dies jetzt noch der Realität, oder eben doch nicht? Denn wenn ich diese Szene einfach so betrachte, wird diese nie so auf mich wirken. Setze ich jetzt noch einen Polfilter drauf, dann kann ich durch Drehen des Polfilters die Farben und der Kontrast lebendiger wirken lassen, als wir das mit unseren Augen wahrnehmen können. Falls mir das immer noch nicht genug ist, oder immer noch nicht der Effekt erzielt, den ich erzeugen möchte, kann ich noch einen ND-Filter vor das Objektiv montieren, damit ich die Verschlusszeit verlängern kann, damit die Wolken dynamischer wirken. Wenn ich mir dann das Bild auf dem Kameradisplay betrachte, entspricht dieses Bild doch nicht mehr dem, was ich mit meinen Augen gesehen habe. Streng gesehen, ist das dann doch schon «Manipulation», oder? Ich habe in der Kamera viele Möglichkeiten um meiner Kreativität freien Lauf zu lassen. Auch habe ich Zubehör, wie Verlaufsfilter, ND-Filter, Polfilter welche ich gezielt einsetzen kann, um meinen gewünschten Effekt zu erzielen. Was ich euch damit aufzeigen möchte ist, dass man schon in der Kamera und beim Fotografieren vor Ort, kreative Mittel hat, um einem Bild einen entsprechenden «Look» zu geben. Also müsste das streng genommen, auch schon zur «Bildmanipualtion» zählen! Wo ist jetzt der Unterschied, ob ich kreativ vor Ort arbeite oder kreativ bei der Bildbearbeitung bin? Die Landschaftsfotografie ist doch ein kreativer Prozess. So gesehen ist doch die Fotografie an und für sich schon eine Manipulation der Realität.

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Gehen wir jetzt einen Schritt weiter und in die digitale Dunkelkammer. Da gibt es weitere Techniken, die ich an meinem Bild anwenden kann. Bereinigen von störenden Elementen im Bild, Perspektivische Korrektur, Focus Stacking, Time Blending und Dynamic Range Blending. Dazu kommen die Möglichkeiten der lokalen Anpassungen wie Farbkorrekturen und Kontrastanpassungen. Ist das jetzt alles Manipulation? Ich würde eher das Gegenteil behaupten, mit diesen Techniken, kann ich Abbildungsfehler der Kamera korrigieren und ja ich kann eben auch dem Bild meinen persönlichen Touch verleihen, den Effekt den ich beim Fotografieren vor Ort schon angestrebt habe, noch mehr zu betonen. Ich kann aber auch Fehler korrigieren wie kippende Bäume oder durch das Dynamic Range Blending ein schönes und korrekt belichtetes Foto «erzeugen» was mit einer einzigen Aufnahme leider nicht möglich war. Ich kann in der digitalen Dunkelkammer, sprich dem Bildbearbeitungsprogramm Fehler korrigieren, die durch die Verwendung eines Weitwinkelobjektives entstanden sind. Zum Beispiel werden mit einem Weitwinkelobjektiv, Objekte weit weg viel zu klein dargestellt im Verhältnis zu den Objekten die näher sind. Das menschliche Auge sieht das anders – also so kann ich das doch jetzt korrigieren. Ist diese Korrektur nun eine «Manipulation»? Ihr habt bestimmt schon bemerkt, wenn ihr mit dem Weitwinkelobjektiv eine Landschaft fotografiert mit einem interessanten VG und einer Bergkette im Hintergrund und darüber ein schön gross leuchtender Mond. Mit blossem Auge sieht das schön beeindruckend aus – aber das Bild aus der Kamera sieht dann die Berge viel flacher und der Mond ist oft nur ein kleiner Punkt, der eher nach einem Sensorfleck aussieht als nach einem Mond der zum Bild was wesentliches beiträgt. Ich könnte doch jetzt vor Ort, wenn ich diese Aufnahme mache, nachdem ich das Landschaftsbild mit dem Weitwinkel gemacht habe, doch noch mein Telezoom montieren und nur den Mond fotografieren in etwa der Abbildungsgrösse wie es meine Augen sehen und diese beiden Bilder zu Hause bei der Nachbearbeitung überblenden! Für viele wäre dies aber jetzt schon eine Manipulation! Dafür habe ich doch lediglich, die Realität, dass was meine Augen gesehen haben, wiederhergestellt.

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Wieviel Bildbearbeitung und Aufwand man zu Hause bei der Nachbearbeitung der Bilder betreiben möchte, muss jeder für sich selbst bestimmen. Es ist jetzt bestimmt nicht notwendig, jedes einzelne Bild immer durch eine stundenlange «Photoshopmaschinerie» laufen zu lassen – es gibt durchaus Bilder, die kann man in wenigen Schritten schon in Lightroom fertig bearbeiten – doch dann gibt es eben auch noch die anderen Bilder, die etwas mehr Aufwand benötigen. Aber wie viel Bearbeitung notwendig ist oder man für nötig hält, ist von Situation zu Situation immer unterschiedlich. Dazu kommt natürlich, dass nicht jeder Fotograf die gleichen Ansprüche hat und nicht jeder das gleiche genau gleich sieht wie ich es sehe und beim Betrachter seines Bildes eine andere Emotion auslösen möchte.
Die Fotografie, auch die Landschaftsfotografie ist eine Kunstform. Sie zeigt die Realität oder ein Ebenbild der Realität durch die Augen des Fotografen. Es gibt nicht nur die eine Wirklichkeit. Warum machen wir uns so viele Gedanken über Bildmanipulation oder sind besorgt darüber, dass dies oder das keine Fotografie mehr ist, sondern Photoshopkunst.
Warum geniessen wir nicht einfach das Bild und belassen die Fotografie so wie sie ist: eine persönliche Wahrnehmung eines bestimmten Momentes, kreativ bildlich festgehalten und wo man seine Gefühle zum Ausdruck bringen kann. Eine Fotografie ist der Träger einer Emotion, die der Betrachter des Bildes wahrnehmen kann.



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